Bessere Portraits

Entgegen der Meinung einiger Fotografen, lassen sich mit (fast) jeder Kamera gute Portraits erstellen. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um eine Kompaktkamera, Spiegelreflex oder ein Smartphone handelt. Wer bestimmte Regeln beachtet, wird die Qualität seiner Portraitfotografien unabhängig vom Equipment verbessern können.

 

Der Bildhintergrund

Die wohl wichtigste Regel in der Fotografie überhaupt:
Achte auf den Hintergrund!

Portrait mit ruhigem Hintergrund
Portrait mit Bokeh-Hintergrund

Er nimmt einen nicht zu vernachlässigenden Teil des Bildes ein.
Je ruhiger der Hintergrund, desto besser hebt sich das Modell ab.

Unruhiger Hintergrund
Unruhiger Hintergrund

Ein unruhiger Hintergrund führt zur Ablenkung vom eigentlichen Motiv und ermüdet beim längeren Betrachten.

Das heißt nicht, dass im Hintergrund keine Gegenstände erkenn- oder identifizierbar sein dürfen. In einer Barszene z.B. können Schemen von Flaschen durchaus zur Bildwirkung beitragen.

 

Fokus
Fokus auf den Augen
Fokus auf den Augen

Die besten Ergebnisse erzielst du, wenn du auf die Augen scharfstellst. Eine scharfgestellte Nasenspitze oder Ohren irritieren den Betrachter. Ob du den manuellen oder automatischen Fokus verwendest, bleibt dir überlassen. Bei Smartphones lässt sich per Touch-Auswahl und dank Bewegungserkennung besonders komfortabel die Schärfeebene festlegen.

Ich selbst verwende bei Portraits in der Regel einen sogenannten Backbutton-Fokus. Das heißt, ich aktiviere den Autofokus durch eine spezielle Fokustaste auf der Rückseite der Kamera und löse unabhängig davon mit dem Auslöser aus.

Ähnlich funktioniert der bekanntere Einzelbild-Autofokus (One-Shot-Modus bei Canon und AF-S bei Nikon). Hier wird durch leichten Druck auf den Auslöser fokussiert und bei vollem Druck ausgelöst. Vorteil dieser Methode ist, dass ich wie beim Backbutton-Fokus den Bereich, den ich scharfstellen möchte, zunächst in der Bildmitte fokussieren und bei halb gedrücktem Auslöser den Bildausschnitt verschieben kann. Dabei bleibt die Schärfe auf dem ursprünglich fokussierten Bereich.

Die Verwendung des Nachführ- oder Servo-AF empfiehlt sich nicht, da sich das Modell kaum bewegt.

 

Licht

Vermeide direktes Sonnenlicht!

Bewölkte Tage sind für die Fotografie von Portraits oft wesentlich besser geeignet. Das Licht wirkt wärmer und die Schatten deutlich weicher und flächiger. Zudem kann das Modell das Gesicht entspannen und muss nicht die Augen zukneifen um der Sonne zu trotzen.

Goldene Stunde nutzen
Goldene Stunde nutzen

Besonders schöne Lichtstimmungen ergeben sich auch morgens und abends zur sogenannten goldenen Stunde bei Sonnenauf- und -untergang. Durch das goldgelbe Licht und den niedrigen Sonnenstand fallen die Schatten günstig und die Hautfarbe wirkt kräftig und gesund.

Manchmal ist ein Shooting tagsüber im hellen Sonnenlicht nicht vermeidbar. Hier hilft es, einen Schattenplatz unter Bäumen oder Dächern zu suchen oder einen Durchlichtschirm und Reflektoren zu verwenden um das Licht weicher zu machen und zu lenken.

Gegenlicht

Haarlicht und Lichtsaum
Haarlicht und Lichtsaum

Auch bei Fotos im Gegenlicht kannst du spannende Effekte erzielen. Zum einen können normalerweise nicht erwünschte Linsenflecken, Sonnenstrahlen und ein Lichtsaum um das Modell auftreten. Zum anderen lässt sich Gegenlicht aber auch prima als Haarlicht verwenden. An besonders hellen Tagen und im Gegenlicht kann ein Füllblitz (egal ob interner oder Aufsteckblitz) helfen, das Gesicht gezielt auszuleuchten. Sonst bleibt der Blitz aus!

Unabhängig davon, ob du an sonnigen Tagen fotografierst,  gehört eine Streulichtblende an dein Objektiv! Es sei denn, du weißt was du tust und willst Lenseflares als Effekt im Bild.

Auch ohne Gegenlicht lassen sich Blendenflecken und Lichtstrahlen leicht nachträglich in Lightroom oder Photoshop erstellen.

 

Objektiv

Brennweite
In der Portrait-Fotografie gibt es Brennweiten, die immer funktionieren. Meist kommen Objektive mit einer Brennweite zwischen 50 und 150mm zum Einsatz. Hier wirkt das Modell sehr plastisch und natürlich.

Weitwinkel verzerrt
Weitwinkel verzerrt

Bei Brennweiten unter 35mm wirkt das Gesicht meist überproportional groß und im Randbereich des Bildes oft verzerrt.
Bei Kompaktkameras ist es ratsam, etwas hinein zu zoomen, um den Weitwinkel-Effekt zu minimieren.

Canon EF 70-200mm f2.8
Canon EF 70-200mm f2.8
Blende
Mit einem lichtstarken Objektiv gelingen Portraits scheinbar leichter. Die Offenblende, die zu einem unscharfen Hintergrund führt, scheint ein Merkmal professioneller Portraits zu sein… Auch wenn diese Linsen das Modell besonders freistellen, also vom Hintergrund abheben, kann besonders weit geöffnete Blende gleichzeitig zu extremer Unschärfe am Modell selbst führen. Die Schärfeebene liegt bei einer Blende von unter 2 im Zentimeter-Bereich und lässt so schon Teile im Gesicht des Modells verschwimmen.

Für wirklich scharfe Bilder empfiehlt es sich, auch lichtstarke Objektive abzublenden, das heißt den Blendenwert zu erhöhen. So liegt der optimale Portraitbereich zwischen Blende 2.8 und etwa 8.

Kompaktkameras oder Smartphones sind oft nicht so lichtstark wie Spiegelreflexkameras mit teuren Objektiven. Meist lässt sich auch die Blende nicht anpassen. Hier kann die Tiefenunschärfe durch eine größere Entfernung zwischen Objekt und Hintergrund erreicht werden.

 
Häufig verwendete Portrait-Objektive für die DSLR:

Brennweite Nikon Canon Sony
50mm AF-S Nikkor 50mm 1.4 G. Canon EF 50mm 1.4 USM. Sony SAL  50mm 1.4.
85mm AF-S Nikkor 85mm 1.4 G. Canon EF 85mm L 1.2 USM. Sony SAL 85mm 1.4.
100mm Canon EF 100mm Macro IS USM.
Zoom AF-S Nikkor 70-200mm 2.8 G. Canon EF 70-200mm L f2.8 II USM. Sony SAL 70-200mm 2.8 G2.
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Belichtungszeit

Versuche die Belichtungszeit so kurz wie möglich zu halten. Je kürzer die Verschlusszeit umso schärfer wird dein Modell abgelichtet. Ab  1/125 s sind Kamerabewegungen praktisch nicht mehr wahrnehmbar. Um bei höheren Brennweiten aus der Hand zu fotografieren, empfiehlt es sich, die Belichtungszeit auf einen Wert zwischen 1/300 s und 1/600 s zu verringern.

 

ISO

Bei Outdoor-Shootings im Tageslicht sind je nach Einstellung ISO-Werte zwischen 100 und 400 sinnvoll. Riskiere lieber ein leichtes Bildrauschen um die Verschlusszeit zu senken, als verschwommene und damit unbrauchbare Bilder zu erhalten. Im Schatten oder Innenräumen kann es für scharfe Bilder sogar notwendig sein, den ISO auf Werte von 1600 oder mehr zu erhöhen.

 

Wie ISO, Blende und Belichtungszeit zusammenspielen, kannst du
hier nachlesen.

 

Posen und Blickwinkel

Auch hier gibt es Regeln, die eigentlich logisch scheinen, doch im Eifer des Gefechts oft nicht beachtet werden.

Halte dich auch in der Portraitfotografie an die Drittelregel und versuche den Kopf nicht abzuschneiden. Lass, wenn du dir nicht sicher bist, lieber ein wenig Platz um dein Modell herum und schneide das Foto nachträglich zu.

Vermeide es von unten in die Nase zu fotografieren.
Modelle mit einem leichten Doppelkinn können dieses kaschieren, indem sie ein wenig nach oben sehen, oder du von schräg oben fotografierst.

Wenn du Posing-Ideen benötigst, suche im Internet einfach nach Portraitfotos, sieh dir die Fotos an, die dir gefallen und versuche diese Bilder nachzustellen.

 

Literatur zum Thema Posen in der Fotografie

Perfektes Posing mit System
von Roberto Valenzuela
dpunkt.verlag GmbH
1. Auflage 2014
ISBN-13: 978-3864902123
Posen, Posen, Posen
von Mehmet Eygi
Rheinwerk Verlag
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3836226011
Fotomodelposen
von Sven Schwöbel
Books on Demand
1. Auflage 2007
ISBN: 978-3837002027

 

Kleidung für Portraits

Neben technischen Fragen spielt auch das Zusammenspiel der Kleidung mit der Umgebung eine große Rolle.

Stelle dir vor dem Shooting folgende Fragen:
– Welche Art von Kleidung trägt dein Modell?
– Harmonieren die Farben mit der Umgebung?
– Welcher Effekt ist gewünscht? Soll die Kleidung mit dem Hintergrund verschmelzen (dezente Blautöne vor grauem Hintergrund heben sich z.B. kaum ab) oder sollen die Farben knallig wirken und im Kontrast zur Umgebung stehen?

Auch ist es sinnvoll, den Stil im Kontext zur gesamten Szene zu betrachten. Passt z.B. ein 60er Jahre Kleidchen in ein modernes Bankenviertel? Welches Licht passt zur Situation?

 

Auch wenn ich dir hier viele Regeln zu Portraits nahelege:
Es gibt Bilder und Situationen, in denen es notwendig ist, diese Regeln zu brechen. Am Anfang jedoch werden sie dir das Leben wohl eher erleichtern.

Wenn du weitere Tipps hast, die anderen Fotografen helfen könnten, freue ich mich immer über Kommentare um meine Seite zu ergänzen.

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